Ausnahmefälle: Selektive Abtreibung (Reduktion)

Selektive Abtreibung

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Was bedeutet das und an wen kann ich mich wenden?

  • Eine „selektive Abtreibung” wird in sehr seltenen Fällen durchgeführt, wenn eine Frau mit Mehrlingen wie zum Beispiel Zwillingen oder Drillingen schwanger ist (Mehrlingsschwangerschaft).
  • In diesem Fall werden eines oder mehrere der Föten ausgewählt („selektiert”) und abgetrieben. Die Schwangerschaft wird mit den verbliebenen Kindern fortgeführt, sofern es nicht durch den Eingriff zu Komplikationen kommt.
  • Der Grund dafür liegt oft in einer pränatalen Diagnose im Rahmen einer PND-Untersuchung. Manchmal wird eine solche Diagnose erst im späteren Verlauf der Schwangerschaft gestellt. Dadurch sind viele selektive Abtreibungen Spätabbrüche.

Vielleicht hat Dein Arzt eine selektive Abtreibung in den Raum gestellt und Du weißt jetzt gar nicht, was das bedeutet und wie es für Dich weitergehen kann? Es ist ratsam, in einer solchen Situation nicht alleine zu bleiben und Dich in Ruhe mit Deinen Möglichkeiten auseinanderzusetzen. Es geht um Dich und einen Weg, mit dem es Dir gut geht! 💚

Was ist eine selektive Abtreibung?

Hierzulande liegt bei einer selektiven Abtreibung in aller Regel eine Mehrlingsschwangerschaft vor, die grundsätzlich fortgeführt werden soll. Nach bestimmten Kriterien wird ein Kind herausgesucht (selektiert), das abgetrieben werden soll.

Hier kann einer der folgenden Gründe für eine selektive Abtreibung vorliegen – vielleicht befindest Du Dich auch in einer dieser Situationen:

1. Pränataldiagnostischer Befund

Ein häufiger Grund ist ein medizinisch auffälliger Befund in der Pränataldiagnostik. Statistisch gesehen besteht bei einer von 20 Zwillingsschwangerschaften nach vorgeburtlichen Untersuchungen der Verdacht, dass eins oder mehrere der Kinder beeinträchtigt sein könnten. Es wird für einen Schwangerschaftsabbruch dann das Kind ausgewählt, bei dem es zu einem auffälligen Befund gekommen ist.

Immer wieder ist diese Sorge jedoch auch unbegründet und der anfängliche Befund stellt sich im Verlauf als nicht so gravierend dar – oder sogar als Fehlbefund.

🤰🏻Dein Arzt hat womöglich bei einem der ungeborenen Kinder Auffälligkeiten festgestellt und es türmen sich gerade ganz viele Fragen und Sorgen vor Dir auf?

Mehr Infos findest Du hier:

2. Hohe Anzahl von Mehrlingen

Eine selektive Abtreibung wird auch manchmal in Betracht gezogen, wenn die Schwangerschaft der Frau eine seltenere Mehrlingsschwangerschaft ist (Vierlinge, Fünflinge etc.). Diese sind speziell im Rahmen von künstlichen Befruchtungen keine Seltenheit – können aber auch auf natürlichem Wege entstehen. Bei einer Mehrlingsschwangerschaft kommen verständlicherweise bei den Eltern viele Sorgen auf. In diesem Zustand der Überforderung machen sich manche Paare Gedanken über eine Reduktion.

👩‍👧‍👦 Du hattest eigentlich ein Kind geplant und erwartest nun mehrere Kinder? Diese überraschende Nachricht zieht Dir gerade den Boden unter den Füßen weg und Du fragst Dich, ob Du Kraft für mehrere Kinder aufbringen kannst?
Oder Du suchst einen Arzt, der die Schwangerschaft auch mit Mehrlingen betreut und bei dem Du Dich gut aufgehoben fühlst?

Weitere hilfreiche Informationen findest Du auch hier:

Zeitpunkt und Diagnose

Bei diesen selteneren Mehrlingsschwangerschaften kann es vorkommen, dass man möglicherweise schon in den ersten Schwangerschaftswochen über eine selektive Abtreibung nachdenkt…

Oftmals steht eine selektive Abtreibung aber auch erst zu einem späteren Zeitpunkt zur Debatte, wenn bei der zweiten großen Organ-Ultraschalluntersuchung ab der 20. SSW die Entwicklung und mögliche Beeinträchtigungen eines Kindes genauer festgestellt werden. Zu diesem Zeitpunkt ist das betreffende Kind häufig bereits außerhalb des Mutterleibes lebensfähig.

Aus diesem Grund ist ein selektiver Schwangerschaftsabbruch zumeist eine Spätabtreibung.

Für eine Spätabtreibung muss grundsätzlich eine medizinische Indikation vorliegen. Das bedeutet, dass eine ernste Gefahr für die Gesundheit der Frau besteht oder eine Behinderung des Kindes zu erwarten ist.

ℹ️ Sprechen Mediziner von einer Reduktion durch Fetozid, ist damit die gezielte Tötung eines oder mehrerer Föten im Mutterleib gemeint, wodurch ihre Zahl reduziert wird.
Es gibt viele Ärzte, die aufgrund ethischer Bedenken und der nicht zu unterschätzenden Gefahr für die verbleibenden Kinder keine selektiven Abtreibungen durchführen.

🩺 Spätabbruch: Wegen Behinderung abtreiben? – zum Selbsttest

Seelischer Ausnahmezustand

Wenn eine selektive Abtreibung im Raum steht, kann das unzählige Gedanken und Ängste auslösen – Herz und Seele befinden sich schnell in einem Ausnahmezustand. Daher steht es zu, jede Art von Hilfe und Beratung in Anspruch zu nehmen, sowie sich ausreichend Zeit zu lassen!

Zu diesem Zeitpunkt sind meist die „kritischen“ ersten Wochen bereits vorbei, und die Planungen für die Zeit nach der Geburt in vollem Gange. Gleichzeitig wird auch die emotionale Bindung meist immer tiefer.
Es tauchen quälende Fragen auf, wie die vielen neuen Informationen eingeordnet werden sollen. Erfahrungsgemäß fühlen sich Betroffene manchmal regelrecht erstarrt oder alleine gelassen – auch das ist eine verständliche Reaktion, welche die immense seelische Belastung deutlich macht.

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Ablauf einer selektiven Abtreibung

Je nach Zeitpunkt der selektiven Abtreibung gibt es unterschiedliche Methoden. Die Methoden sind unter Umständen auch davon abhängig, ob sich Mehrlinge eine Plazenta teilen.

In den früheren Schwangerschaftswochen ist manchmal eine selektive Abtreibung mit der Methode der Absaugung durch den Gebärmutterhals möglich (Vakuumaspiration). Allerdings steigt hier das Fehlgeburtsrisiko für die übrigen Kinder stark an. Und die gezielte „Auswahl“ eines bestimmten Kindes ist dabei allerdings nicht möglich.

Ein selektiver Schwangerschaftsabbruch mit Fetozid findet eher nach der 20. Schwangerschaftswoche statt und läuft ungefähr folgendermaßen ab:

  • Bei einer Ultraschalluntersuchung wird das „auffällige“ Kind gezielt gesucht. Geht es um mehrere gesunde Kinder, deren Anzahl reduziert werden soll, wählt der Arzt zumeist das kleinste oder (bei gleich großen Kindern) dasjenige aus, das am leichtesten von der Bauchdecke aus erreichbar ist.
  • Der Arzt gibt dann durch die Bauchdecke der Mutter mit einer Spritze eine Injektion in die Nabelschnur oder direkt in das Herz des Kindes. Zumeist wird erst ein Schmerzmittel und danach das Kaliumchlorid verabreicht. Durch letzteres wird die Herztätigkeit des Kindes beendet.
  • Danach bleibt das tote Kind in der Gebärmutter. Es wird in einem frühen Stadium der Schwangerschaft entweder vom Körper der Mutter absorbiert, oder aber bei der Geburt der Geschwisterkinder mit entbunden. Man verzichtet in diesem Fall bewusst auf das „Holen“ des abgetöteten Kindes, um nicht das Risiko einer Fehl- oder Frühgeburt aller Kinder einzugehen.

⚠️ Da es sich durch die Injektion um einen invasiven medizinischen Eingriff handelt, besteht bei einer selektiven Abtreibung – genau wie bei anderen invasiven Eingriffen – immer auch die Gefahr, unbeabsichtigt eine Fehl- oder Frühgeburt auszulösen. So besteht also auch für die Kinder, die zur Welt gebracht werden sollen, ein erhöhtes Risiko.

Beratung als wichtiger Schritt

Es sind ganz unterschiedliche Fragen und Gedanken, die auftauchen, wenn die Entscheidung „selektive Abtreibung: ja oder nein“ im Raum steht. Vielleicht spürst Du auch trotz des ersten Schocks das zaghafte Bedürfnis, Dich mit dieser noch ganz unbekannten Diagnose Deines Kindes oder der Mehrlingsschwangerschaft erst einmal weiter auseinander zu setzen und möchtest mehr Informationen haben.

  • Wie soll das gehen mit so vielen Kindern, oder mit einem beeinträchtigtem Kind? Kann ich das schaffen?

  • Wie soll ich diese Wahl treffen, welches meiner Kinder leben darf und welches nicht?
 Kann und darf ich das überhaupt?
  • Was passiert mit dem Kind, das überlebt – merkt es etwas davon?

  • Und was, wenn es dann zu einer Fehlgeburt kommt und alle Kinder sterben?

Was auch immer Dich in dieser Situation beschäftigt: Die Entscheidung liegt letztlich bei Dir. Auch wenn Dir von unterschiedlichen Seiten anderes geraten wird, darfst Du Deiner Intuition und Deinem Herzen folgen.

Du hast in jedem Fall das Recht auf gute ärztliche Begleitung und auch immer die Möglichkeit, Dir eine ärztliche Zweitmeinung einzuholen.
Wenn Du spürst, dass eine Abtreibung nicht der richtige Weg für Dich ist, Du Dich jedoch absolut überfordert fühlst, dann gibt es verschiedene Hilfen und Möglichkeiten zur Unterstützung im Alltag. Auch melden Frauen und Paare immer wieder zurück, dass ein Leben mit einem besonderen Kind sehr bereichernd sein kann.

Solltest Du betroffen sein, brauchst Du nicht zu zögern, Dir Beratung und Hilfe zu suchen. Ganz in Ruhe darfst Du Schritt für Schritt Deine Gedanken und Gefühle sortieren, um schließlich einen Weg zu finden, zu dem Dein Kopf und Dein Herz ja sagen können.

Gerne unterstützen wir Dich dabei und überlegen mit Dir gemeinsam, wie es nun gut für Dich weiter gehen kann. Auch andere Fragen und Sorgen, die Dich rund um die Schwangerschaft beschäftigen, haben Platz.

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Autoren & Quellen

Autorin

Maria Nagele,
Sozialpädagogin

Überprüfung

Medizinisches Team

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